NIGE-Schüler führen Musical zum Thema Mobbing auf
Esens Grelles rotes Licht, bedrohliche Töne, ein Halbkreis aus Menschen mit weißen Masken und in ihrer Mitte eine Schülerin auf dem Boden. Die Darsteller des diesjährigen Musicals am Niedersächsischen Internatsgymnasiums Esens (NIGE) sagen selbst: Wenn sie nicht wüssten, dass sie einander eigentlich mögen, wenn nicht die Proben sie zu einem Team zusammengeschweißt hätten, dann wäre diese Szene für sie fast unerträglich.
Mitläufer und Täter
Das ist Absicht. Denn das Thema des Musicals ist Mobbing. Den Leiterinnen der Musical-AG ist es wichtig, dass die physische und psychische Gewalt von Mobbing sichtbar wird. Ulrike Lotzmann ist vor allem für den Gesang, Ricarda Grewe für die Regie und Dramaturgie zuständig. In dem Stück „Atemlos“ geht es um Schülerin Bea, die von ihrer Mitschülerin Liz immer wieder und heftig gemobbt wird. Liz’ eigene Schwierigkeiten zu Hause werden genauso thematisiert wie die Mitläufer und Lehrkräfte. So ist Betty, eine Freundin von Bea, die nichts gegen die Situation tut, eine zentrale Figur.
Grewe weiß, dass viele Schülerinnen und Schüler schon Erfahrungen mit verschiedenen Formen von Mobbing gemacht haben. Auch deshalb hat die AG gemeinsam dieses Musical ausgesucht. „Wir haben bei den Proben Übungen gemacht, bei denen jeder mal Täter und mal Opfer war“, erklärt Grewe. Da sei vielen bewusst geworden, welche Wirkung das haben kann.
Emotionale Probe
Wichtig sei allen deshalb gewesen, immer wieder darüber zu sprechen. „Eine Probe ist mal richtig emotional geworden“, erzählt Laura Soons. Sie spielt die Mitläuferin Betty. „Wir haben uns alle hingesetzt und über unsere Erfahrungen gesprochen.“ Dabei hätten viele geweint, auch Lehrerin Ricarda Grewe.
„Das Problem ist, dass Mobbing oft nicht so ernst genommen und heruntergeredet wird“, sagt Levke Stockmann, die Mobberin Liz darstellt. Deshalb sei es allen Beteiligen so wichtig, mit dem Musical darauf aufmerksam zu machen. Auch darauf, dass es nicht einmal unbedingt einen Grund gibt, warum jemand zum Opfer wird. „Liz, die Mobberin, die ich spiele, hat eine unglaubliche Wut, weil ihr Vater Alkoholiker ist. Die lässt sie an Bea aus“, erklärt Levke Stockmann.
Licht und Ton
Ricarda Grewe ist erleichtert, dass die Schülerinnen und Schüler über die Proben zu einer Gruppe geworden sind. „Ich habe mir vorher schon Sorgen gemacht, ob das pädagogisch machbar ist“, erzählt sie. Denn sie möchte die Gewalt, die hinter Mobbing steht, so authentisch wie möglich auf die Bühne bringen. Das gehe nur mit offener Kommunikation.
Unterstützt wird die Wirkung durch Licht und Ton. „Unsere Band unterstützt uns ungemein“, sagt Grewe. Einige Darstellerinnen haben außerdem noch zwei zusätzliche Lieder geschrieben, die in das Stück eingebaut wurden.
Lichteffekte, wie das grelle Rot der zu Beginn beschriebenen Szene, und die Drohkulisse, die durch den Ton aufgebaut wird, unterstreichen die Wirkung des Schauspiels.
Zwei Konflikte überdauern die Handlung von „Atemlos“: Der Mobbingfall selbst zwischen Bea und Liz und die Wut von Bea auf ihre Freundin Betty, die zu viel Angst hat, um einzugreifen. „Am Ende lässt Bea alle diese Wut aus sich heraus“, sagt Anna-Charlotte Kirchner über ihre Rolle.
Nach einem Artikel des Anzeigers für Harlingerland vom 21.03.2022