Ticket out of Loserville – NIGE Musical begeistert Publikum
Foto und Text von Wilko Janßen: Wir schreiben das Jahr 1971, die beiden Schüler Michael Dork (Johannes Nolting) und Lucas Lloid (Lea Stöter) sitzen im Computerraum ihrer Schule in Loserville und träumen von einer besseren Zukunft. Die kann ihrer Meinung nach nur in der Welt des Computers und des Science Fictions liegen. Doch während Lucas sowie die weiteren Cliquenmitglieder Francis Wier (Jerik Braje) und Marvin Camden (Kai Uffenbrink) noch einen recht naiven Umgang mit dem Thema haben und auf die in den späten 1960er Jahren ausgestrahlte „Stark Trek“-Serie fixiert sind, ist Michael ein wahrer „Nerd“ (Computertüftler), der den Alltag der Menschheit bahnbrechend verändern möchte: Er bastelt an der Erfindung des Internets.
Schon die Anfangsszenen des neuen Musicals des Niedersächsischen Internatsgymnasiums Esens (NIGE) verdeutlichen, dass sich die Schüler, nachdem man in der Vergangenheit auf Literaturklassiker zurückgegriffen hatte, wieder ein Stück aus ihrer Lebenswelt gewünscht haben. Fündig geworden sei man laut der für die musikalische Leitung zuständigen Lehrerin Ulrike Lotzmann bei „Ticket out of Loserville“. Das Stück sei unter anderem bereits 2012 am Londoner West End Theater aufgeführt worden und basiere auf dem Album „Welcome to Loserville“ der Rockband Son of Dork, in dem die Texte der einzelnen Lieder zusammenhängend die Geschichte einer Schulklasse aus Loserville erzählen. Unter der Beteiligung von fast 50 mitwirkenden Schülern feierte die Musicalversion des NIGE am Sonnabend eine vielumjubelte Premiere in der Aula.
Inhaltlich bedient „Ticket out of Loserville“ natürlich nicht nur die wissenschaftstechnische Schiene um Computerfreaks und Zukunftsfantasien, es wird auch mit den schon in der Antike verwendeten Zutaten eines gelungenen Dramas gearbeitet: Liebe, Intrige und böse Gegenspieler. Letztere werden in dem Stück verkörpert von der Clique um Eddie Arch (Hendrik Siemens), die sich als wahre Hedonisten entpuppen, für die nur materialistische Werte und das Pflegen von Eitelkeiten zählen. Und die Zukunftsperspektive von Eddie und seiner Freundin Leia Dawkins (Anna-Lena Klaaßens) scheint auch rosig zu sein, schließlich ist Eddie der Sohn des reichsten Mannes der Stadt: Dem Besitzer der Computerfirma „Arch Systems“. Bei solchen verwandtschaftlichen Verhältnissen wird man schon mal überheblich, sodass Eddie singt: „Niemand sieht besser aus als ich“, außerdem verfügt er nach eigenen Angaben über ein „Supergenmaterial“. Passend zu diesem Charakterzug mobbt Eddies Clique Michael und seine Freunde, es kommt sogar zu Handgreiflichkeiten.
Doch was außer Lucas niemand weiß: Michael ist dran an der Vernetzung von zwei Computern. Er ist kurz davor, die erste E-Mail zu verschicken. Entzückt ruft er aus: „Alles neu, alles digital – was für ein Potenzial.“ Entsprechend tritt bei ihm eine Weltuntergangsstimmung ein, als er ein Zutrittsverbot für den Computerraum bekommt. Doch die Rettung naht in Form der neuen Klassenkameradin Holly Manson (Jantke Geiken), die ebenfalls eine leidenschaftliche Programmiererin ist und von Eddies Leuten übel angegangen wird. Michael nähert sich ihr erfolgreich an, sodass sie mit seinen Instruktionen die weltverändernde Erfindung zu Ende bringen kann.
Inzwischen ist Eddie in Schwierigkeiten geraten, sein Vater möchte ihn nicht mehr in führender Position in der Firma einsetzen, sondern in eine Militärakademie schicken. Daraufhin verliert Eddie an Rückhalt, insbesondere bei Leia. Da haben seine Vasallen Huey Philips (Uta Rassow) und Wayne Pagoda (Carmak Bunger) die rettende Idee: Sie sind in den Besitz von Holly kompromittierenden Fotos geraten und ziehen den sich aufgrund der Liebesbeziehung zwischen Michael und Holly einsam fühlenden Lucas auf ihre Seite. Nun kann auch Eddie einsteigen in den Wettlauf um die Erfindung des Internets – den er mit diesen unmoralischen Methoden auch gewinnt. Doch natürlich fliegt Eddies Schwindel am Schluss auf und Michael wird als wahrer Erfinder der E-Mail gefeiert. Jetzt brandete der Beifall der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula auf. Schon während der einzelnen Szenen staunten die Besucher nicht schlecht über die ein hohes Niveau erreichenden Schauspiel- und Gesangseinlagen. Wie bei den vorherigen fünf Aufführungen präsentiert sich auch das aktuelle NIGE-Musical als Gesamtkunstwerk, zu deren Gelingen verschiedene Arbeitsgemeinschaften beitragen.
Nach einem Artikel des Anzeiger für Harlingerland vom 22.05.2017