50 Jahre NIGE
Text und Fotos von DETLEF KIESE
Für das Niedersächsische Internatsgymnasium in Esens (NIGE) kursierten schon manches Mal Schließungspläne oder -gerüchte. So 1977, als die KGS Wittmund mit einer Sekundarstufe II versehen wurde oder 1994, als das Land massive Einsparungen auf dem Bildungssektor vornahm. Hier sicherte die Expo 2000, an der sich das NIGE als Außenstandort beteiligte, ebenso das Fortbestehen wie eine Kostenteilung zwischen Land und Landkreis. Für Inselschüler blieb das Gymnasium immer ein unverzichtbarer Lernort. So kann die Bildungsstätte an der Auricher Straße nach einer besonderen Entwicklung jetzt auf ihr 50-jähriges Bestehen zurückblicken.
Bereits seit 1953 hatten sich zahlreiche Gemeinden in Ostfriesland als Standort der Niedersächsischen Heimschule, einer „Aufbauschule“, beworben. Nicht zuletzt durch die hartnäckige Vorgehensweise von Stadtdirektor Ewald Neemann erhielt die Stadt Esens schließlich den Zuschlag und stellte das Grundstück am Rand des Schafhauser Waldes („Dienerskamp“, „Kuhkamp“) unentgeltlich zur Verfügung. 1964 wurde mit den Bauarbeiten der ersten Gebäudeteile auf dem 7,5 Hektar großen Areal begonnen. Bis zur Eröffnung waren auch Sportplatz, Wirtschaftsgebäude mit Speisesaal und Krankenstation, Kunst- und Musiktrakt, die Häuser für Internatsleitung und Schulhausmeister („Maysel“ und „Brösel“) und Bedienstetenwohnungen realisiert.
Die Heimschule nahm am 18. April 1966 den Unterricht auf, sie startete als „neusprachliches Gymnasium in Kurzform“ mit zwei Kurzschuljahren und 140 Jugendlichen in zwei Klassen (7 und 11) in teils baulichen Provisorien. Die ersten Abiturzeugnisse überreichte Schulleiter Ulfert Balcke-Herlyn im Mai 1968 an 22 Schüler der Klasse 13. Die beiden ersten der drei Internatsgebäude bezogen 52 der 149 Schüler im Oktober 1967. 15 Lehrer unterrichteten zu diesem Zeitpunkt.
Bauliche Voraussetzungen
Das Land ergänzte den Gebäudebestand 1972 durch ein Lehrschwimmbecken mit beweglichem Hubboden (7,6 Millionen Euro) und eine Turnhalle. 1973 kamen der Pavillon am Schulhof, 1994 der naturwissenschaftliche Trakt hinzu . Schulleiter Manfred Büttner hatte bis 1975 mehr als 20 Eingaben für den „Endausbau“ des Gymnasiums gemacht. Büttner verließ wegen privater und politischer Unstimmigkeiten 1978 die Schule, Reiner Lerbs versah die folgende Interimszeit. Im Jahr 1982 benannte sich die bisherige Heimschule nach einem Antrag von Schulleiter Bernd Pohlig in Niedersächsisches Internatsgymnasium um. Die Teilnahme an der Expo 2000 unter dem Motto „Welche Schule braucht die Zukunft unserer Welt?“ machte das NIGE zu einer überregional anerkannten und modern ausgestatteten Schule. Exponate etwa in Form von Seezeichen, das Landart-Projekt „Tore zum Meer“ und der Planeten-Lehrpfad sind neben dem geschaffenen Atrium als schulisches Kommunikationszentrum bis heute erhaltene Erinnerungen an einen das Schulleben inspirierenden, innovativen Zeitabschnitt. Aber auch Projekte wie die Störtebeker- Revue und eine Radler-Sternfahrt aller Expo-Schulen nach Aurich sorgten für Furore. Reinhard Anton fungierte in dieser Zeit als Schulleiter, der einen Schwerpunkt auf die Integration des NIGE in das gesellschaftliche Umfeld legte und auch dafür namens der Schule 2001 den Silbernen Bären als höchste Auszeichnung der Stadt Esens entgegennahm.
Zwei Jahre später kam eine zweite Sporthalle hinzu, daneben entstand ein Amphitheater. 2004 empfing das NIGE aufgrund der Schulreform zum ersten Mal Fünftklässler und übernahm den zweiten Standort – Räume der früheren Herbert-Jander-Hauptschule am Schafhauser Weg. Zugleich wurde das Gymnasium eine der ersten Ganztagsschulen in Niedersachsen. Zukunftsweisende Projekte kennzeichneten den Schulgeburtstag 2006. Zum Motto „Gestern, heute, übermorgen – 40 Jahre NIGE -Leben am Meer“ erfolgte der Spatenstich für das 2007 fertiggestellte Ganztagsgebäude („Selbstlernzentrum“). Muster-Photovoltaik-Anlagen wurden installiert, und das uraufgeführte Musical „Mozart rockt“ reiste sogar bis Hamburg. Bald folgte die Umgestaltung zum „Pausenhof der Sinne“.
In der Zeit der ersten Schulleiterin Petra Palenzatis wuchs das Gymnasium auf mehr als 1100 Schüler mit 80 Lehrern und 30 Angestellten an, interaktive Tafeln und die Schulplattform ISERV zum modernen Kommunizieren wurden in Betrieb genommen. Im November 2012 startete Kultusminister Dr. Bernd Busemann am NIGE die „Schule für Distanzlernen Niedersachsen“ (SDLN), bei der Palenzatis federführend war. Um dem Lehrermangel auf den Inseln zu begegnen, kann seither Unterricht per Videokonferenz nach außen übertragen werden.
Heute 900 Schüler
Das NIGE umfasst heute die Jahrgänge 5 bis 13 und führt als einziges unter den Niedersächsischen Internatsgymnasien von der 6. Klasse an neben Französisch auch Latein als zweite Fremdsprache. Spanisch kann ab der 6. Klasse und auch ab Klasse 10 als zweite Fremdsprache gewählt werden. Zum Schulleben gehören eine Reihe von Arbeitsgemeinschaften wie Musical, Gitarre, Robotik, Tontechnik, Zumba, Chöre, PC/Web, Rugby, Schülerzeitung, Ossiloop etc. Das NIGE ist DFB-Stützpunkt und unterhält eine Kooperation mit SV Werder Bremen. Fast 900 Schüler werden heute von mehr als 80 Lehrern unterrichtet. Hinzu kommen 30 nichtlehrende Mitarbeiter.
Bauliche Sanierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre gipfeln aktuell in der Errichtung von Verbindungstrakten zwischen den Internatsgebäuden. Die Feiern zum 50-jährigen Jubiläum des NIGE stehen unter dem Motto „Nachdenken – Interessieren – Gestalten – Entdecken“ und beinhalten neben Sportfest, Schülerkonzert, Projekttagen und Ehemaligentreffen unter anderem eine Wattwanderung aller Schüler und Lehrer von Baltrum nach Neßmersiel. Mit der neuen Schulleiterin Anja Renken-Abken, die erst kürzlich ernannt wurde, startet das Esenser Internatsgymnasium in sein siebtes Jahrzehnt – der stellvertretende Schulleiter Tjark-Fokken Emken hatte die Bildungseinrichtung während der Vakanz geleitet.
Zur offiziellen Jubiläumsfeier am kommenden Montag 18.4.2016wird Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im NIGE erwartet. In einer Festschrift, die es aus Anlass des Jubiläums ab kommenden Montag im NIGE-Sekretariat, bei der Sparkasse in Esens und in den Buchhandlungen der Bärenstadt zu kaufen gibt, sind auf 252 Seiten viele Details nachzulesen.
Nach einem Artikel des Anzeiger für Harlingerland vom 14.4.2016
Chronik der SCHULLEITER
1966-1971 Ulfert Balcke-Herlyn
1971-1978 Manfred Büttner
1978-1979 Reiner Lerbs (kommissarisch)
1979 -1989 Bernd Pohlig
1989 -1992 Reiner Lerbs (kommissarisch)
1992 -1996 Hartmut Heck
1996 – 2008 Reinhard Anton
2008 – 2015 Petra Palenzatis
2015-2016 Tjark-Fokken Emken (kommissarisch)
Seit 2016 Anja Renken-Abken