Canterbury 2014
Wer kommt bloß auf die Idee, sich an einem späten Freitagabend gegen 22 Uhr in einen Reisebus zu setzen, durch Ostfriesland, die Niederlande, Belgien und den nordöstlichsten Zipfel Frankreichs zu fahren, von dort mit der Fähre nach Dover überzusetzen, am nächsten Tag die Kleinstadt Canterbury im Vereinigten Königreich zu besuchen, um am selben Abend schon wieder gen Esens aufzubrechen? Die Antwort liegt auf der Hand: Eine bunte Truppe aus ca. 40 SchülerInnen (9. und 10. Klasse) und sechs Lehrkräften scheute weder die Strapazen eines solchen Kurztripps noch den Minijetlag, der die Ausflügler am Sonntag erwartete.
Wie immer hatte Kornelia Schwaermer alles perfekt organisiert und wie immer gab es – „The same procedure as every year!“ – ein paar kleinere Widrigkeiten zu meistern: Von falschen Schülerlisten über plötzliche Krankheitsfälle, für die innerhalb weniger Stunden für Ersatz gesorgt werden musste, hielt der Ausflug nach Canterbury glücklicherweise keine weiteren bösen Überraschungen bereit. Als alle endlich im Bus saßen, das Handgepäck unter den Sitzen verstaut und eine halbwegs bequeme Sitzposition gefunden war, brachte uns der Busfahrer sicher nach Calais und nach der anderthalbstündigen Fahrt über den Ärmelkanal nach Canterbury.
Die Kleinstadt, die nicht nur Sitz des höchsten Bischofs der anglikanischen Kirche ist, sondern in der auch der berühmte Dichter Christopher Marlowe (den einige noch immer für den wahren Urheber der Werke Shakespeares halten) und der kaum weniger bekannte Schauspieler Orlando Bloom das Licht der Welt erblickten, erwartete uns zunächst mit launischem Nieselregen. Zum Glück blieben wir von größeren Wettereskapaden verschont, nur der fast über die Ufer getretene Great Stour erinnerte ein wenig an die Zustände, die derzeit in Südwestengland herrschen.
In der St. Margret‘s Church aus dem 12. Jh. tauchten unsere SchülerInnen dann in die sagenhafte Welt der Canterbury Tales ein, eine von Geoffrey Chaucer im 14. Jahrhundert verfasste Sammlung von Geschichten, die in dem historischen Gebäude liebevoll zu neuem Leben erweckt werden.
Was folgte, war für die jungen Leute mit Sicherheit das Spannendste: Sie mussten auf eigene Faust in der Stadt ihre Freizeit gestalten, ihre Fremdsprachenkenntnisse anwenden, in einer fremden Währung bezahlen und sich in einer fremden Stadt zurecht finden. Überraschenderweise zog es viele unserer hungrigen SchülerInnen nicht gleich zu dem goldenen M, viele versuchten sich vielmehr an der lokalen Küche und so begegneten uns immer wieder SchülerInnen, die Fish and Chips knabberten. Als das Wetter aufklarte und sich die Sonne zeigte, nahte leider schon der Aufbruch nach Esens. Müde und mit vielen schönen Eindrücken sowie der ein oder anderen vollen Einkaufstasche beladen wurden wir ebenso sicher wie auf der Hintour von unserem Busfahrer ins gemütliche Ostfriesland gebracht, wo ein richtiges Bett und eine warme Dusche warteten.
Martin Ebert