Ein besonderes Schuljahr mit ruhigem Ende

Die Abiturienten Rena Peters (von links), Philipp Strelow, Maline Wübbenhorst und Jan Schoolmann machen in diesem Jahr ihr Abitur am Niedersächsischen Internatsgymnasium Esens (NIGE). BILD und TEXT: Ina Frerichs

Die Schulzeit endet, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Dieser Start ist mit Freiheit verbunden und dem sowohl aufregenden als auch ungewissen Gefühl, dass einem die Welt offen steht. Jugendliche und junge Erwachsene beginnen eine Ausbildung, erleben ein Freiwilliges Soziales Jahr oder absolvieren ein Studium. Das kann ihrer Wunschrichtung entsprechen oder ihnen zeigen, dass sie später doch einen anderen Weg einschlagen möchten.

Wo auch immer der Weg sie hinführt: In den letzten Schultagen mit den liebgewonnenen Klassenkameraden, Freunden und Lehrern und im neuen Lebensabschnitt liegen Mut, Fleiß, Glück, Erfolg und Scheitern nah beieinander.

Start der Abiprüfungen

Vier dieser jungen Menschen sind Jan Schoolmann, Philipp Strelow, Maline Wübbenhorst und Rena Peters. Sie stecken mitten in ihren Abiturvorbereitungen. Sie besuchen den 13. Jahrgang des Niedersächsischen Internatsgymnasiums Esens (NIGE). Am NIGE sind in diesem Jahr 109 Schüler und Schülerinnen für die Abiturprüfungen zugelassen. Ab heute wird es für sie und alle anderen Abiturienten ernst: Die schriftlichen Prüfungen in den Leistungs- und Prüfungsfächern beginnen. Im Mai sind die mündlichen Prüfungen dran. Danach dürfen sich die Schüler hoffentlich über ihren Schulabschluss, das Abitur, freuen.

Junge Menschen gehen gerne weg und feiern, haben Spaß, teilen Glücksmomente und Enttäuschungen. So geht es auch den jungen Erwachsenen in diesem und im vergangenen Jahr. Dennoch ist für sie durch die Corona-Zeit vieles anders: Persönliche Treffen müssen ausfallen, Lerngruppen dürfen sich nur online treffen. Statt Mathe, Chemie und Englisch vor allem im Klassenraum zu lernen, ist mehr Unterricht im eigenen Zimmer angesagt. Die Schüler sind zu Hause und nicht auf Studienfahrt. Ein Platz im Garten statt Erkundungstour in Rom, Prag, Wien oder in Kroatien. Keine Feste, keine Kursfeten, keine Disco.

Was bleibt vom gesellschaftlichen Leben, wenn so vieles nicht sein darf? Wie erleben die Schüler diese Zeit? Wie können sie sich auf ihr Abitur vorbereiten? Gibt es überhaupt eine Aussicht darauf, dass sie ihren Schulabschluss gemeinsam feiern dürfen?

Für die vier Abiturienten, die seit der 5. Klasse das NIGE besuchen, hat das Lernen den veränderten Umständen entsprechend gut geklappt, erzählen sie. Aber Rena Peters (18) fehlen die Treffen in den Lerngruppen. „Ich finde es schwierig, dass wir weniger persönliche Kontakte haben“, sagt auch Maline Wübbenhorst (18). Philipp Strelow (19) ist zwar mit dem Lernen gut klargekommen, aber der Stoff aus dem zweiten Schulhalbjahr in der 12. Klasse, in dem sie vor allem zu Hause unterrichtet wurden, sitzt weniger gut. Das fällt ihm vor allem im Leistungskurs Geschichte auf. „In Latein merke ich das weniger“, ist Jan Schoolmann (19) froh. Aber die Schüler, die allein nicht so gut lernen könnten und von den Lerngruppen profitieren, hätten Nachteile, sagt er.

Jedes Unterrichtsfach hat andere Schwerpunkte, und jeder Schüler lernt anders. Trotz der eingeschränkten und veränderten Lernbedingungen fühlen sich die Schüler gut auf die Abiturprüfungen vorbereitet, auch wenn immer Angst und Sorge mitschwingt.

„Die Lehrpläne sind entlastet worden“, sagt Schulleiterin Anja Renken-Abken. Sie spricht von „großem Glück“, dass es durch das Infektionsgeschehen möglich gewesen sei, den jetzigen 13. Jahrgang in Corona-Zeiten fast durchgängig an der Schule zu unterrichten. Das sei für das Kollegium und sie sehr wichtig gewesen, um die Schüler – so gut es geht – auf das Abitur vorzubereiten.

Über das Lernen hinaus geht es für die Abiturienten darum, besondere Momente festzuhalten. Die Schüler im Abijahrgang haben sich in Komitees aufgeteilt, um Abibuch, Abiball und Co. zu planen. Die Vorbereitungen gingen schon früh los. Aber vieles fällt aus oder kann so, wie es die Schulen seit Jahrzehnten kennen, nicht stattfinden.

Motto: „Abitouris“

Was es auf jeden Fall geben darf: das Abi-Motto. Für die Esenser heißt es: „Abitouris 2021 – Wir waren hier nur zu Besuch“. „Unsere Idee war es, ein Reisethema zu nehmen“, sagt Philipp Strelow. „Auch wir haben eine Reise durch die Schule erlebt“, sagt er und erzählt von schönen Momenten und Zusammenhalt, einer Zeit, die ihn und alle Mitschüler geprägt hat – mit einem ruhigen, emotionalen Ende.

Der 19-Jährige kümmert sich mit seinem Team um den Abisong und die Abiturrede. „Die Rede und die Melodie für den Abisong sind fertig“, verrät er voller Vorfreude.

Jan Schoolmann wäre für den Tanzkurs zum Abiball zuständig gewesen. „Das ist aber leider nicht umsetzbar“, sagt er. Der Tanzkurs fällt aus, und ob ein Abiball stattfinden darf, ist fraglich. Eine angemessene Verabschiedung soll es aber geben. „Ich vermute, dass es keinen Abiball geben wird. Wir hoffen aber, dass wir eine Entlassfeier organisieren dürfen“, sagt Anja Renken-Abken. Sie erzählt, dass sich der Religionskurs schon etwas überlegt hat. Im vergangenen Jahr habe die besondere Entlassfeier im Amphitheater stattfinden dürfen.

Zusammenhalt

Auch um ihr Abibuch kümmern sich die Schüler. Maline Wübbenhorst ist Mitglied im Abibuch-Komitee. „Wir haben mehr Berichte von Lehrern statt Erlebnisse in unserem Abibuch“, sagt sie. Die Skifahrt sei eine der letzten Fahrten gewesen, die stattfinden durften. Jeder Schüler hat über einen Mitschüler geschrieben. Mit wenigen Leuten haben die Abiturienten das Abibuch fertiggestellt. „Hut ab vor der Leistung“, lobt Schulleiterin Anja Renken-Abken ihre Schüler.

Die vier Abiturienten wissen, wie es für sie nach der Schule weitergeht. Rena Peters beginnt im Sommer ein Duales Studium, Maline Wübbenhorst eine Ausbildung. Philipp Strelow und Jan Schoolmann möchten studieren: Philipp Lehramt, Jan Humanmedizin. Wo auch immer der Weg sie hinführt: Sie können stolz auf sich sein. Diese besondere Zeit bremst zwar das gesellschaftliche Leben aus, aber ihren Zusammenhalt und ihre Erfahrungen kann den Schülern keiner nehmen.

Nach einem Artikel des Anzeigers für Harlingerland vom 19.04.2021